Hohe Hürden vor höheren Pfändungsfreigrenzen für viele Schuldner

Verbraucherzentrale NRW: Banken boykottieren Freibetragsbescheinigungen, Gerichte verweigern Hilfe

Für viele Schuldner bleibt die zum 1. Juli 2011 in Kraft getretene Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen um etwa 4,4 % eine nur theoretische Erleichterung. Problematisch ist dabei weniger der (von € 985,15) auf € 1.028,89 gestiegene Grundfreibetrag für Alleinlebende.  Schuldner mit Pfändungsschutzkonten, die ihre gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen erfüllen, haben hingegen häufig Probleme, die auf € 387,22 Euro monatlich (bisher: 370,76 Euro) für die erste und um jeweils weitere 215,73 Euro (bisher 206,56 Euro) für die zweite bis fünfte Person geltend zu machen, wie die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berichtet.

Zwar müssen die Kreditinstitute die höheren Grundfreibeträge im Rahmen des (erhöhten) Sockelschutzes beim P-Konto automatisch berücksichtigen, so wie dies auch Arbeitgeber bei Lohnpfändungen beachten müssen.  Ein “Markt-Check”, bei dem per Fragebogen 53 Gerichte, 139 Banken und Sparkassen, 101 Sozialleistungsträger sowie 232 Arbeitgeber zum Gelingen des P-Kontos befragt wurden, habe jedoch oft hohe Hürden und uneinheitliche Anforderungen verzeichnet, so die Verbraucherzentrale NRW.

Für die zusätzliche Pfändungsfreistellung von Unterhaltpflichten und Kindergeld muss der Schuldner nach § 850k Abs. 2 S.1 Nr. 1, 3 ZPO nur die entsprechende Einkommensbescheinigung der Bank vorlegen, z.B. der Alg-II-Bescheid für die Bedarfsgemeinschaft. In der Praxis erkennen Banken Bescheinigungen von Sozialleistungsträgern oft nicht an und fordern neue Bescheinigungen auf eigenen Formularen, die von den Leistungssachbearbeitern dann nicht ausgestellt werden. Die dann gem. § 850k Abs. 5 S. 4 ZPO angerufenen Vollstreckungsgerichte verweigern wiederum die gerichtliche Freibetragsfestsetzung, stellte die Verbraucherzentrale fest.

Ein besonders zynisches Beispiel für solche Rechtsschutzverweigerung ist ein Beschwerdebeschluss des Landgerichts Leipzig vom 9.11.2010, Az. 7 T 568/10: der Schuldner sei völlig im Recht, wenn er sich darauf berufe, dass sein Alg-II-Bescheid als Freibetragserhöhungsbescheinigung ausreiche und die Bank keine eigenen Formulare verwenden dürfe. Er erhalte trotzdem keinen Festsetzungsbeschluss, er müsse vielmehr seine Bank erneut vor dem Zivilgericht auf Erfüllung des Kontovertrages verklagen, so die Leipziger Richter.

Auch die unterfinanzierten und überforderten Schuldnerberatungsstellen sind dann keine Hilfe: von  87 befragten Beratungsstellen erstellen 47 Bescheinigungen  nur für die in einer Beratung bereits betreuten Schuldner, ergab die Recherche der Verbraucherzentrale NRW.
Im Hinblick darauf, dass ab Januar 2012 Pfändungsschutz nur noch über das P-Konto erreichbar sei, müssten die Anforderungen zur Anerkennung von Bescheinigungen gesetzlich genau geregelt werden, fordert die Verbraucherzentrale NRW. Bis dahin sollten sich wie in der Stadt Münster die Banken verpflichten, genau mitzuteilen, welche Bescheinigungen sie anerkennten.