Umsatzsteuerbefreiung auch für die Vergangenheit: Durchbruch erzielt?

Europäischer Gerichtshof stellt umsatzsteuerrechtliche Gleichbehandlung nicht gemeinnütziger Pflegeleistungserbringer her

Alle Pflegeleistungserbringer in Deutschland müssen von der Umsatzsteuer befreit werden, nicht nur gemeinnützige, sondern auch gewerbliche Träger. Dies hat heute der Europäische Gerichtshof entschieden (Verfahren C‑174/11, Finanzamt Steglitz gegen Ines Zimmermann).
Nun ist zu erwarten, dass der Bundesfinanzhof die Umsatzsteuerfreiheit der Vergütungen auch der selbständigen Berufsbetreuer rückwirkend seit 2005 feststellen wird. Der Bundesfinanzhof hat sein Verfahren V R 7/11 über die Umsatzsteuerbefreiung für Berufsbetreuer bis zur EuGH-Entscheidung ausgesetzt.

In dem zu entscheidenden Fall hatte eine gewerbliche Pflegedienstinhaberin die Gleichbehandlung mit gemeinnützig getragenen Pflegediensten geltend gemacht. Sie muss nach dem bisher geltenden § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG für eine Umsatzsteuerbefreiung ihrer Umsätze mit Kranken- und Pflegekassen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, während diese nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG von den Pflegediensten anerkannter Wohlfahrtsverbände nicht nachgewiesen werden müssen.

In dieser Ungleichbehandlung sah die 2. Kammer des Europäischen Gerichtshofes einen Verstoß gegen die steuerrechtliche Neutralität im Mehrwertsteuersystem. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g bzw. Abs. 2 Buchst. a der Sechsten (Mehrwertsteuer-)Richtlinie 77/388/EWG des Rates fordere die Gleichbehandlung gemeinnütziger und nicht gemeinnütziger Pflegeanbieter. Nach der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie können die Mitgliedsstaaten die mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreien.

Gem. § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG hatte der BFH mit Urteil vom 17.02.2009 (XI R 67/06) die Betreuungsvereine als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt und ihre fallbezogenen Leistungen als mit der sozialen Sicherheit verbunden eingestuft und ihre Umsatzsteuerfreiheit festgestellt. Nachdem der deutsche Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2013 auch selbständige Berufsbetreuer für die Zukunft als „soziale Einrichtungen“ im steuerrechtlichen Sinne definiert hat, dürfte der Bundesfinanzhof wenig Spielraum bei der Beantwortung der Frage haben, ob Berufsbetreuer auch schon seit Inkrafttreten der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, jedenfalls aber seit Einführung der Pauschalvergütung 2005, bei der Umsatzsteuerfreiheit gleichbehandelt werden müssen.