Bundesregierung nimmt Verschuldung von privat krankenversicherten Alg-II-Empfängern bewusst in Kauf

Regierungsfraktionen ignorieren bei GKV-Finanzierungsgesetz einstimmigen Beschluss des Petitionsausschusses

Das Problem ist seit 2008 bekannt, aber die Bundesregierung und auch die SPD wollen es nicht lösen: Alg-2-Empfänger, die sich privat krankenversichern müssen, werden zur Verschuldung gezwungen, weil ihre gesetzlich geregelten Beiträge von den JobCentern nicht einmal zur Hälfte bezuschusst werden dürfen. Bei der am 12. November im Bundestag von den Regierungsmehrheit verabschiedeten Gesetz zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz, BT-Drs. 17/3696) wurden zwar die Regelungen der zulässigen Beitragshöhe im  PKV-Basistarif in § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes präzisiert, aber die vorgeschriebene Deckelung des Zuschusses für Alg-2-Empfänger bleibt unverändert. Seit dem 1.1.2009 entsteht Alg-2-Empfängern, die sich im PKV-Basistarif versichern müssen und nicht in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren können,

monatlich eine Deckungslücke von mehr als 155 Euro. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatte bereits im Januar einen Gesetzentwurf zur Lösung dieses Problems vorgelegt (BT-Drs.17/548), der im Gesundheitsausschuss stecken blieb.

Am 29. September 2010 hatte der Petitionsausschuss des Bundestages eine entsprechende Petition mit einstimmigem Beschluss der Bundesregierung und den Bundestagsfraktionen zur Berücksichtigung  übersandt. Die Folge des unzureichenden Zuschusses für Alg-2-Empfänger seien Schulden in zunehmender Höhe, die sich für die Dauer der Hilfsbedürftigkeit ansammeln würden. Nach Ende der Hilfebedürftigkeit müssten diese Schulden beglichen werden. Diese Rechtslage, so die einstimmige Auffassung des Petitionsausschusses sei „unhaltbar“.  In der Beschlussempfehlung des zuständigen Bundestagsausschusses und im Entschließungsantrag der SPD-Fraktion fand die Petition keinerlei Erwähnung.

Die Landessozialgerichte für Niedersachsen-Bremen und das Saarland halten die Regelung in § 12 VAG für verfassungswidrig. Gegen die Verurteilung zur Zahlung eines vollen Zuschusses für Basistarifversicherte hatten die verurteilten JobCenter-Träger Revision zu Bundessozialgericht eingelegt. Andere Sozialgerichte halten es für ausreichend, dass während der Zeitraums, in dem Beitragsrückstände bei der PKV bestehen, die Versicherten nur sog. „Ruhensleistungen“ erhalten, die zwar eine Akut- und Schmerzbehandung, aber z.B. keine medizinische Rehabilitation umfassen.

Für gesetzlich versicherte Alg-2- und Sozialgeldempfänger übernimmt die Bundesagentur für Arbeit künftig den Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V für die Personen, die allein durch diese Aufwendungen hilfebedürftig würden, in der „erforderlichen Höhe“. Diese Beitragsübernahme ist wiederum gedeckelt auf den durchschnittlichen Zusatzbetrag aller Krankenkassen. Wenn die gewählte Krankenkasse einen überdurchschnittlichen Zusatzbeitrag verlangt, muss der Alg-2-Empfänger entweder die Differenz aus dem Regelsatz selbst tragen oder die Krankenkasse wechseln. Die Zusatzbeiträge für Sozialhilfeempfänger werden wie bisher von den Sozialhilfeträgern übernommen.