Änderungen des Infektionsschutzgesetzes

Impf- und Nachweispflicht für Berufsbetreuer?

I. Vorbemerkung

Der BVfB hält es grundsätzlich im Interesse der betreuten Personen, im Interesse der Allgemeinheit und im Interesse rechtlicher Betreuer für sinnvoll und verantwortungsbewusst, wenn sich rechtliche Betreuer gegen das Coronavirus COVID-19 impfen lassen. Wir vertreten außerdem die Ansicht, dass die Leiter von Einrichtungen zum Schutz ihrer Bewohner berechtigt sind, Personen den Zutritt zu verweigern, die weder geimpft noch genesen sind, wenn die schutzwürdigen Interessen der Besucher und der Bewohner angemessen gegeneinander abgewogen werden. Im Rahmen der Abwägung sind aus unserer Sicht das Ansteckungsrisiko und die Gefahr schwerer Krankheitsverläufe zentrale Aspekte, denen in der Regel Vorrang gegenüber der Berufsausübungsfreiheit rechtlicher Betreuer zukommt.

Der folgende Newsletter beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage, ob sich aus § 20 a IfSG eine Impf- und Nachweispflicht für rechtlichen Betreuer ableiten lässt.

II. Regelung einer einrichtungsbezogenen Impf- und Nachweispflicht

Am 12. Dezember 2021 ist das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in Kraft getreten. In § 20 a IfSG hat der Gesetzgeber erstmalig eine einrichtungsbezogene Impfpflicht eingeführt, die mit einer Nachweispflicht des betroffenen Personenkreises korrespondiert. Danach müssen die zur Impfung verpflichteten Personen der Leitung der jeweiligen Einrichtung bis zum 15.03.2022 einen Impfnachweis über das Vorliegen einer vollständigen Schutzimpfung, einen Genesenennachweis (die dem Nachweis zugrundeliegende Testung darf höchstens 6 Monate zurückliegen) oder ein ärztliches Zeugnis darüber vorlegen, dass wegen einer medizinischen Kontraindikation eine Impfung nicht erfolgen kann (Immunitätsnachweis). Mit der Frist bezweckt der Gesetzgeber vor allem, ungeimpften Personen, für die zukünftig eine Impfpflicht besteht, genügend Zeit – nämlich ca. 3 Monate – zu geben, um für einen Impfschutz zu sorgen.

Für rechtliche Betreuer ist insbesondere die Regelung in § 20 a Abs. 1 Nr. 2 IfSG von Bedeutung. Danach müssen ab dem 15.03.2022 Personen einen Immunitätsnachweis vorlegen, die in teil- oder vollstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder in vergleichbaren Einrichtungen tätig sind. Entsprechendes gilt nach Nr. 3 für Wohngruppen und sonstige gemeinschaftliche Wohnformen. Ungeklärt ist bislang die Frage, ob rechtliche Betreuer zu diesem Personenkreis gehören, wenn sie – was sehr häufig der Fall sein dürfte – Personen rechtlich betreuen, die in einer solchen Einrichtung (z.B. stationären und teilstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe) wohnen. Das Bundesgesundheitsministerium hat diese Frage im Hinblick auf den Schutzzweck des Gesetzes und die weite Formulierung „tätig sind“ bejaht und einen Vergleich zu den Tätigkeiten von in der Einrichtung tätigen Frisören und Handwerkern angestellt, für die ebenfalls eine Impf- und Nachweispflicht bejaht wird.

III. Keine Impf- und Nachweispflicht für rechtliche Betreuer

Der BVfB teilt diese Auffassung nicht: Wie sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung ergibt, wird für eine Tätigkeit in einer entsprechenden Einrichtung ein Tätigkeitsverhältnis vorausgesetzt (BT-Drucksache 20/188 – Seite 30). Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber eine einrichtungsbezogene Impfpflicht einführt, verstehen wir unter einem Tätigkeitsverhältnis ein Verhältnis zwischen den jeweiligen Dienstleistern (Beispiele: Handwerker / Friseure / rechtliche Betreuer) und der Einrichtung. Nach unserer Einschätzung ist hierfür erforderlich, dass die Dienstleistung oder sonstige Tätigkeit auf Veranlassung der Einrichtung erfolgen muss. Hierfür spricht auch die weitere Gesetzesbegründung, aus der wir im Folgenden zitieren:

„Die Art der Beschäftigung (Arbeitsvertrag, Leiharbeitsverhältnis, Praktikum, Beamtenverhältnis etc.) ist ohne Bedeutung. Bei den erfassten Personen handelt es sich beispielsweise um medizinisches bzw. Pflege- und Betreuungspersonal einschließlich zusätzlicher Betreuungskräfte nach § 53b SGB XI, aber auch andere dort tätige Personen wie zum Beispiel Hausmeister oder Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal. Erfasst sind auch Auszubildende, Personen, welche ihren Freiwilligendienst (nach dem BFDG oder JFDG) ableisten, ehrenamtlich Tätige, Praktikanten sowie Zeitarbeitskräfte.“

(BT-Drucksache 20/188, Seite 38)

Sämtliche der in der Gesetzesbegründung genannten Beschäftigungsverhältnisse und die konkreten Beispiele deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber eine Impfpflicht nur für Personen einführen wollte, die auf Veranlassung der Einrichtung dort tätig werden. Dies trifft für die rechtliche Betreuung jedoch gerade nicht zu. Die rechtliche Betreuung wird von den Gerichten für bestimmte Aufgabenkreise angeordnet. Sie wird personen- und gerade nicht einrichtungsbezogen ausgeübt. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Friseur wird auch nach dem Auszug einer betreuten Person den in der Einrichtung verbleibenden Personen weiterhin die Haare schneiden; eine rechtliche Betreuerin wird aber – nach dem Auszug einer von ihr betreuten Person – zwar weiterhin ihre Aufgaben gegenüber dem Betreuten zu erfüllen, mit der Einrichtung aber nichts mehr zu tun haben. Schließlich spricht auch die Formulierung in § 20 a Abs. 3 IfSG für diese Auslegung des Gesetzes. Dort ist geregelt, dass auch Personen einen Immunitätsnachweis vorzulegen haben, die erstmalig ab dem 16.03.2022 in der Einrichtung tätig werden sollen. Wer in einer Einrichtung tätig werden soll, kann aber nach unserem Verständnis nur von der Einrichtung selbst – also auf deren Veranlassung – festgelegt werden.

Auch die Systematik des Gesetzes spricht gegen eine Impfpflicht für rechtliche Betreuer. Denn die Impfpflicht korrespondiert nicht nur mit einer bis zum 15.03.2022 zu erfüllenden Nachweispflicht, sondern auch mit einer Benachrichtigungspflicht für die betroffenen Einrichtungen bzw. deren Leiter. Diese sind nach § 20 a Abs. 2 Satz 2 IfSG verpflichtet, unverzüglich das Gesundheitsamt zu unterrichten, wenn eine Person bis zum 15.03.2022 ihrer Nachweispflicht nicht nachgekommen ist. Verstößt die Leitung einer Einrichtung gegen diese Pflicht, begeht sie eine Ordnungswidrigkeit (§ 73 Nr. 7 e IfSG). Es ist aber keine Selbstverständlichkeit, dass Einrichtungen der Eingliederungshilfe, Krankenhäusern, Pflegewohngemeinschaften und sonstigen Einrichtungen, für zukünftig eine Impfpflicht gilt, die Anordnung einer rechtlichen Betreuung überhaupt bekannt wird. Darüber hinaus entscheiden rechtliche Betreuer eigenverantwortlich darüber, wann und wie häufig Besuche in einer Einrichtung erforderlich sind und sind Besuche nicht vorher anzukündigen. Nach unserer Einschätzung kann es dem Gesetzgeber aber nicht darum gegangen sein, eine bußgeldbewährte Benachrichti-gungspflicht, unabhängig davon einzuführen, ob der Einrichtung ein Beschäftigungsverhältnis bekannt geworden ist oder nicht.

Schließlich spricht auch der zentrale mit dem Gesetz verfolgte Zweck – nämlich der Schutz vulnerabler Personengruppen vor einer Infektion und schweren Krankheitsverläufen – nicht für eine Impfpflicht für rechtliche Betreuer. Zum einen stehen Einrichtungen andere Möglichkeiten zur Verfügung, um einen Kontakt mit rechtlichen Betreuern zu unterbinden, die keinen Immunitätsnachweis beibringen können. Zum anderen hat der Gesetzgeber – worauf auch das Bundesgesundheitsministerium hinweist – keine Impfpflicht für sämtliche Besucher der betroffenen Einrichtungen geregelt. Letzteres gilt insbesondere für private Besuche. Würde man von einer Impfpflicht für sämtliche rechtliche Betreuer ausgehen, ergäbe sich folglich eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen nahestehenden Angehörigen und nahestehenden Angehörigen, die (zufällig) den Bewohner der Einrichtung ehrenamtlich betreuen. Warum soll beispielsweise eine Mutter, die keinen Immunitätsnachweis vorlegt, ihre Tochter in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe besuchen dürfen, ihr dies aber untersagt werden, sobald sie ihre Tochter rechtlich betreut?

Der BVfB geht davon aus, dass der Gesetzgeber die Impfpflicht an ein abstrakt feststellbares Tätigkeitsverhältnis geknüpft hat und nicht etwa daran, wann die nächste Tätigkeit in der Einrichtung tatsächlich ausgeübt wird. Hierfür spricht die Frist, die der Gesetzgeber für die Erfüllung der Nachweispflicht eingeführt hat. Wer bereits ab dem Inkrafttreten des Gesetzes absehen kann, dass eine Tätigkeit in der Einrichtung erforderlich wird, soll die Frist nutzen, um einen Immunitätsnachweis – in der Regel einen vollständigen Impfnachweis – zu erbringen. Wir meinen, dass der Gesetzgeber die Frist für die Erfüllung der Nachweispflicht nicht von dem Verhalten der impfpflichtigen Person abhängig machen wollte. Warum sollte beispielsweise ein Mitarbeiter eines Pflegedienstes, der ab dem 15.03.2022 einen mehrwöchigen Urlaub antritt, den Immunitätsnachweis erst nach seinen Kollegen erbringen müssen, die ab dem 15.03.2022 im Dienst sind. Eine derartige Differenzierung erscheint unnötig kompliziert und in der Praxis kaum handhabbar.

Für rechtliche Betreuer würde daher eine Impf- und Nachweispflicht bestehen, sobald die betreute Person in einer Einrichtung wohnt, für die der Gesetzgeber eine Impfpflicht eingeführt hat. In zahlreichen Betreuungsfällen hätte dies einen erheblichen, häufig unnötigen bürokratischen Aufwand zur Folge, den der Gesetzgeber nicht gesehen und unseres Erachtens auch nicht gewollt hat.  Denn für rechtliche Betreuer wäre es in der Regel nicht damit getan, einmal einen Immunitätsnachweis beizubringen, sondern in zahlreichen Betreuungsfällen gegenüber verschiedenen Einrichtungen bis zum 15.03.2022 einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Der BVfB würde den mit den Impf-, Nachweis- und Benachrichtigungspflichten einhergehenden bürokratischen Aufwand sowohl für die rechtlichen Betreuer als auch für die Leiter der entsprechenden Einrichtungen als unangemessen und kontraproduktiv bewerten.