– Beschluss des Amtsgerichts Weimar vom 23.06.2022 – 7 XVII 53/21 –
Die Rechtsprechung, wonach ein grundlegender technischer oder naturwissenschaftlicher Studiengang keine besonderen, für die Führung einer rechtlichen Betreuung nutzbaren Kenntnisse im Sinne des § 4 VBVG vermittelt, ist nach Ansicht des Amtsgerichts Weimar mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar. Die Frage, ob besondere Kenntnisse i.S.v. § 4 VBVG vorliegen, ist danach unabhängig von der Frage der Fachrichtung eines Studiums zu klären.
In dem Verfahren war die Frage strittig, ob ein Fachhochschulstudium im Studiengang Werkstofftechnik einen Vergütungsanspruch auf der Grundlage der Vergütungstabelle C (Nr.1.2.1.) rechtfertigt. Der Bezirksrevisor beim Landgericht Erfurt hatte dies mit dem Hinweis, dass der Abschluss als Diplom – Ingenieurin (FH) für Werkstofftechnik keine für eine Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt habe, abgelehnt und sich für eine Festsetzung der Vergütung auf der Grundlage der Vergütungstabelle A ausgesprochen. Die hiergegen von der Betreuerin eingelegte Erinnerung vor dem Amtsgericht Weimar hatte Erfolg.
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass für eine Einstufung in eine höhere Vergütungsstufe zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen. Es müssen zum einen besondere Kenntnisse, welche für die Betreuung nutzbar sind, vorhanden sein und zum anderen müssen diese Kenntnisse entweder durch eine abgeschlossene Ausbildung oder durch ein Hochschulstudium erworben worden sein. Aufgrund der Systematik des § 4 VBVG und der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes (BT- Drucks. 13/7158) ist die Frage, was besondere Kenntnisse im Sinne von § 4 VBVG sind, unabhängig von der Frage zu beantworten, worauf sich das Studium bzw. die Ausbildung im Kernbereich bezogen hat. Besondere betreuungsrelevante Kenntnisse können demnach auch außerhalb einer Ausbildung und eines Studiums in einem Qualifikationskurs für Betreuer erworben werden.
Die Betroffene habe während ihres Studiums das Pflichtfach Betriebswirtschaftslehre absolviert und dadurch Kenntnisse erworben, die „über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen“. Dies gelte jedenfalls, wenn der Aufgabenkreis Vermögenssorge übertragen worden sei. Die Betreuerin könne folglich eine Vergütung nach der Vergütungstabelle C beanspruchen.
In seiner Begründung widerspricht das Amtsgericht ausdrücklich der Auslegung des § 4 VBVG durch den Bundesgerichtshof, der für die anzuwendende Vergütungstabelle darauf abstellt, ob eine Ausbildung oder ein Studium im Kernbereich betreuungsrelevante Kenntnisse vermittelt. Mit einer überzeugenden Begründung geht das Gericht davon aus, dass sich Anhaltspunkte für diese restriktive Auslegung des § 4 VBVG weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergeben. Ob der BGH die Begründung des Amtsgerichts Weimar zum Anlass nimmt, seine bisherige Auslegung des § 4 VBVG zu überdenken und ggf. zu ändern, bleibt abzuwarten.