Betreuungsgericht verstößt gegen den Anspruch eines rechtlichen Betreuers auf rechtliches Gehör

Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 22.03.2023 – 11 T 37/23 und 11 T 71/23

I.

Ein Berufsbetreuer hatte gegen zwei Beschlüsse des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach jeweils Beschwerde eingelegt. In den Beschlüssen war nach seiner Auffassung eine zu geringe Vergütung festgesetzt worden. Er meinte, der Betreute wohne in der Wohnform des betreuten Wohnens (andere Wohnform) und nicht – wie das Amtsgericht annahm – in einer stationären Einrichtung gleichzustellenden Wohnform. Seine Beschwerde begründete er ausführlich und fügte ihr mehrere Anlagen bei, die seine Rechtsauffassung stützten. In dem Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts hieß es lapidar, der Beschwerde könne aus den „weiterhin zutreffenden Gründen“ nicht abgeholfen werden.

Das Landgericht hielt die beiden Beschwerden für zunächst begründet und verwies die Verfahren an das Amtsgericht zurück, Da das Ausgangs- und Nichtabhilfeverfahren an einem groben Verstoß – nämlich einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör – leide, sei ausnahmsweise die Zurückverweisung analog § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG möglich.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) sei nicht mehr gewahrt, wenn ein Gericht den Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis nehme. Der Nichtabhilfebeschluss genüge nicht mehr rechtsstaatlichen Ansprüchen, wenn neu vorgetragene Tatsachen des Beschwerdeführers völlig übergangen würden. Insbesondere erfülle das Nichtabhilfeverfahren dann nicht mehr seine Funktion, ein Beschwerdeverfahren zu vermeiden und die eigene Entscheidung einer Selbstkontrolle zu unterziehen.

Auch wenn das Beschwerdegericht nicht in der Sache entschied, verband es die Zurückverweisung mit dem deutlichen Hinweis an das Amtsgericht, dass eine ambulant betreute Wohnform einer stationären Wohnform nur gleichgestellt werden könne, wenn die extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar seien. Nach dem Vortrag des Betreuers sei hier jedoch die Möglichkeit gegeben, jederzeit einen anderen Pflegedienstleister zu wählen.

II.

In der Rechtsprechung sind in den letzten Jahren Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör fast immer im Zusammenhang mit der (unterlassenen) Anhörung von betreuten Personen bejaht worden. Selbstverständlich handelt es sich bei dem Anspruch auf rechtliches Gehör jedoch um ein Recht (sogenanntes grundrechtsgleiches Recht), auf das sich auch Betreuer berufen können und sollten. Manche Betreuungsgerichte dürften dazu neigen, ohne weitere Prüfung Beschwerden den Beschwerdekammern bei den Landgerichten vorzulegen. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn die Beschwerde nicht weitergehend begründet wird. Neuer Tatsachenvortrag kann aber nicht einfach ignoriert und der Fall an das Landgericht abgegeben werden. Genau das moniert im vorliegenden Fall die Beschwerdekammer. Vor dem Hintergrund, dass sich die Beschwerdeverfahren in einigen Bundesländern sehr lange – mehrere Jahre – hinziehen, sollten Betreuer daher durchaus den Versuch unternehmen, im Beschwerdeverfahren eine Abhilfeentscheidung zu erwirken und auf den Anspruch auf rechtliches Gehör verweisen.

Sollten nach der Zurückverweisung der beiden Verfahren keine weiteren Tatsachen zur Wohnform ermittelt werden können, deutet alles darauf hin, dass das Betreuungsgericht die beiden Vergütungsbeschlüsse aufheben und die höhere Vergütung bewilligen wird.