Urteil des Landgerichts Berlin vom 26.01.2022 – 8 S 15/21
Das Landgericht Berlin hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg vom 27.05.2021 (106 C 292/20 – kommentiert auf der Bt-Direkt) aufgehoben und eine Betreuerin verurteilt, an einen Betreuten Schadensersatz in Höhe von 4.228,00 Euro zu zahlen.
Obwohl der geschäftsfähige Betreute persönlich den Auftrag zur Erledigung von Beihilfeangelegenheiten erteilt hatte, sei die Betreuerin zur Kündigung des Vertrages verpflichtet gewesen und hätte selbst die Beihilfeanträge stellen müssen. Ausschlaggebend hierfür sei gewesen, dass nach einer Akutphase infolge eines Schlaganfalles die Betreuerin nicht mehr davon ausgehen konnte, dass die Erledigung der Beihilfeangelegenheiten durch einen externen Dienstleister von dem Betreuten gewünscht war.
Das Landgericht stellt klar, dass die Arbeitsbelastung kein Grund sein kann, um einen externen Dienstleister zu beauftragen, der eine Aufgabe erledigt, die von rechtlichen Betreuern zu erledigen ist. Bei einer erheblichen Arbeitsbelastung, die nicht mehr zumutbar ist, sollten rechtliche Betreuer daher einen Betreuerwechsel anregen. Allein die Tatsache, dass im Aufgabenbereich Vermögenssorge Beihilfeanträge zu stellen sind, genügt hierfür selbstverständlich nicht.
Allerdings erkennt das Landgericht, dass die Delegation von Beihilfeangelegenheiten rechtlich zulässig sein kann und hierfür zwei Fallkonstellationen in Betracht kommen:
Die Beauftragung von Dienstleistern kommt zum einen in Betracht, wenn dies zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Hierfür wird man in der Regel darauf abstellen müssen, ob eine betreute Person, wenn keine rechtliche Betreuung angeordnet worden wäre, sich zur Einholung externen Sachverstandes veranlasst gesehen hätte.
Zum anderen kann sich die Befugnis zur Delegation daraus ergeben, dass die betreute Person dies wünscht. Um diese Fallkonstellation ging es im vorliegenden Fall. Das Landgericht bemängelte, dass die Betreuerin den Betreuten nicht darüber informiert habe, dass es grundsätzlich ihre Aufgabe ist, Beihilfenanträge zu stellen. Nur wenn betreute Personen im Bewusstsein dieser Pflicht, deren Erledigung mit der Vergütung für die rechtliche Betreuung mit abgegolten ist, die Entscheidung treffen, Beihilfeangelegenheiten grundsätzlich durch einen externen Dienstleister erledigen zu lassen, könne von einer wirksamen Delegation ausgegangen werden.
Unabhängig davon, wie man die Entscheidung des Landgerichts bewertet, sollte sie rechtliche Betreuer veranlassen, die grundsätzliche Delegation von Beihilfeangelegenheiten auf externe Dienstleister erst in Anschluss an ein dokumentiertes Gespräch vorzunehmen, in dem der betreuten Person deutlich gemacht wird, dass es zu den Aufgaben rechtlicher Betreuer gehört, Beihilfeanträge zu stellen und dies von der Vergütung für die rechtliche Betreuung mit umfasst wird. Wünschen betreute Personen in Anschluss an eine solche Aufklärung die Übertragung dieser Angelegenheiten auf externe Dienstleister, ist dem Wunsch Folge zu leisten. Beispielsweise könnte sich eine vermögende betreute Person für die Delegation dieser Aufgabe entscheiden, damit sich die rechtliche Betreuung stärker auf die persönliche Betreuung konzentriert oder mehr Zeit für die Erledigung von Aufgaben der Gesundheitssorge (Aufklärungsgespräche) investiert. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass es nicht darauf ankommen kann, ob die Entscheidung der betreuten Person vernünftig ist, solange eine Erledigung der übertragenen Aufgaben durch den rechtlichen Betreuer selbst oder Externe sichergestellt und die Delegation zulässig ist. Die Aufsicht durch die Betreuungsgerichte und der Prüfung der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches sind daher durch diesen subjektiven Ansatz Grenzen gesetzt.
Zu der schwer nachvollziehbaren Auffassung des Klägers, in dem Fall habe wegen eines Interessenkonfliktes ein Verhinderungsbetreuer bestellt werden müssen, hat sich das Landgericht nicht geäußert. Es gehört zu den ureigensten Aufgaben rechtlicher Betreuer, den Willen der betreuten Person in Erfahrung zu bringen und ihn grundsätzlich auch dann umzusetzen, wenn damit für den Betreuer eine Mehrbelastung verbunden ist. In diesen Fällen generell einen Verhinderungsbetreuer zu bestellen, erscheint daher abwegig. Sollten konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass rechtliche Betreuer sich über den zu beachtenden Willen der betreuten Person hinwegsetzen, ist es Aufgabe des Betreuungsgerichts, im Rahmen der Rechtsaufischt tätig zu werden.