Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 26.09.2022 – 8 T 29/22
Das Landgericht Potsdam hat sich der Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur angeschlossen und bestätigt, dass Rechtspfleger für die Prüfung der Rechnungslegung nicht verlangen können, dass von Betreuern grundsätzlich sämtliche Belege im Original vorgelegt werden.
Der Entscheidung des Landgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem ein Berufsbetreuer seiner Rechnungslegung ausschließlich Belege in Kopie beigefügt hatte, forderte ihn die zuständige Rechtspflegerin mehrfach auf, sämtliche Belege im Original vorzulegen. Letzteres entsprach der unter den Rechtspflegern abgesprochenen Vorgehensweise, die von den meisten im Gerichtsbezirk tätigen Berufsbetreuern akzeptiert wurde. Der Betreuer weigerte sich der Aufforderung nachzukommen. Nach der Ankündigung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.500,00 Euro wies er darauf hin, dass er zur Rechnungslegung eine Software nutze und anstrebe, zukünftig sein Büro vollständig „papierlos“ zu führen. Gegen das daraufhin festgesetzte Zwangsgeld in der genannten Höhe legte er Beschwerde ein. Zur Begründung führte er insbesondere an, dass seine Rechnungslegung mühelos anhand der kopierten Belege überprüft werden könne, der digitale Rechtsverkehr zunehme und schließlich Originalbelege nur bei konkreten Hinweisen für ein manipulatives Vorgehen angefordert werden könnten.
Dieser Auffassung, die bereits zuvor von den Landgerichten Neuruppin und Hamburg vertreten worden war, hat sich das Landgericht Potsdam angeschlossen. Ausschlaggebend sei, dass Rechtspfleger ihrer Pflicht nachkommen können, die Rechnungslegung rechnerisch und sachlich zu prüfen (1843 BGB). Deshalb müsse die Rechnungslegung – wie es § 1841 BGB vorsieht – eine geordnete Zusammenstellung der Ein- und Ausgaben enthalten und sei diese mit Belegen zu versehen, soweit Belege erteilt zu werden pflegen. Zwar sei es Aufgabe der Rechtspfleger, nach pflichtgemäßen Ermessen Belege nachzufordern, wenn eine Rechnungslegung unvollständig oder unklar sei, dieses Ermessen könne aber nicht dahingehend ausgeübt werden, dass generell sämtliche Belege im Original angefordert werden. Der Ermessensspielraum zur Anforderung von Originalbelegen sei erst eröffnet, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die eingereichten Kopien nicht richtig erstellt, manipuliert oder gefälscht sind. Die Vorlage von Belegen in Kopie genüge daher grundsätzlich den Anforderungen des § 1841 Abs. 1 BGB.
Das Gericht weist abschließend darauf hin, dass durch die Einführung der digitalen Akte die Führung von Papierakten zunehmend abgelöst werde und folglich in Zukunft die Vorlage von Belegen in digitaler Form zeitgemäß und praktikabel erscheine. Dem Argument der Rechtspflegerin, alle Berufsbetreuer im Gerichtsbezirk sollten gleichbehandelt werden und oft genug habe sich eine haptische Prüfung der Belege als notwendig erwiesen, folgt das Gericht nicht.
Die Entscheidung des Landgerichts sollte Berufsbetreuer ermutigen, nicht sämtliche Maßnahmen der sogenannten Rechtsaufsicht klaglos hinzunehmen. Insbesondere scheinen sich an einigen Gerichten unter den Rechtspflegern Gepflogenheiten eingeschlichen zu haben, die mit einer pflichtgemäßen Ermessensausübung nichts zu tun haben und eher dem Prinzip folgen, sich die Arbeit so leicht wie möglich zu machen. Selbstverständlich können Absprachen zwischen Rechtspflegern und Berufsbetreuern – beispielsweise über die Gestaltung und den Aufbau der Jahresberichte – sinnvoll sein, wenn sie von beiden Seiten akzeptiert werden. Sie dürfen aber nicht ohne gesetzliche Grundlage als Maßnahme der Rechtsaufsicht „verkauft“ werden. Der Hinweis der Rechtspflegerin auf die Vorteile – wohlgemerkt für sie, nicht für den Betreuer – einer haptischen Prüfung und eine Gleichbehandlung von Berufsbetreuern geht daher ins Leere; letzterer schon deshalb, weil über die Gleichbehandlung von Berufsbetreuern in erster Linie nicht Rechtspfleger, sondern der Gesetzgeber bzw. die Gerichte zu entscheiden haben und es eine Gleichbehandlung bei einer rechtswidrigen Praxis nicht geben kann.
Vor dem Hintergrund, dass anwaltliche Betreuer seit 2022 bei der Kommunikation mit den Gerichten zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) verpflichtet sind, lässt sich vertreten, dass in digitaler Form eingereichte Belege von den Betreuungsgerichten grundsätzlich akzeptiert werden müssen/sollten. Da alles darauf hindeutet, dass sich im Zuge der politisch gewollten Digitalisierung, die rechtlichen Rahmenbedingungen dahingehend weiter verändern werden, sollten sich Berufsbetreuer darauf vorbereiten, Belege als Scans vorzulegen und papierlos zu arbeiten.
Durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wird die Regelung in § 1841 Abs. 1 BGB durch den neuen § 1865 Abs. 3 BGB ersetzt. Dieser lautet ab dem 01.01.2023:
Die Rechnung soll eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten und über den Ab- und Zugang des vom Betreuer verwalteten Vermögens Auskunft geben. Das Betreuungsgericht kann Einzelheiten zur Erstellung der geordneten Zusammenstellung nach Satz 1 bestimmen. Es kann in geeigneten Fällen auf die Vorlage von Belegen verzichten. Verwaltet der Betreute im Rahmen des dem Betreuer übertragenen Aufgabenkreises einen Teil seines Vermögens selbst, so hat der Betreuer dies dem Betreuungsgericht mitzuteilen. Der Betreuer hat die Richtigkeit dieser Mitteilung durch eine Erklärung des Betreuten nachzuweisen oder, falls eine solche nicht beigebracht werden kann, die Richtigkeit an Eides statt zu versichern.
Mit dieser Regelung wird die in der Praxis häufig anzutreffende Vorlage einer Selbstverfügungserklärung des Betreuten vom Gesetzgeber eingeführt. Im Gesetz ist zukünftig von Originalbelegen nicht die Rede und wird zusätzlich die Möglichkeit eröffnet, auf das Einreichen von Belegen in geeigneten Fällen gänzlich zu verzichten. Dass die Einzelheiten der Rechnungslegung durch das Gericht bestimmt werden können, betrifft die Zusammenstellung der Ein- und Ausgaben; also nicht das Einreichen von Belegen. Die Rechtsprechung zur Vorlage von Originalbelegen wird sich daher voraussichtlich ab 2023 nicht ändern. Hierfür spricht auch die Begründung in dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz:
„Satz 3 regelt zudem die Belegpflicht neu. Während im geltenden Recht nach § 1841 Absatz 1 zweiter Halbsatz BGB grundsätzlich Belege einzureichen sind, wird dies jetzt in das Ermessen des Gerichts gestellt. Dabei kann das Gericht beispielsweise am Anfang einer Betreuung Belege anfordern und bei gleichbleibenden oder ähnlichen Ausgaben in der Folge darauf verzichten. Das Gericht kann aber auch bei Ungereimtheiten oder stichprobenartig Belege verlangen. Der Betreuer ist daher nach wie vor verpflichtet, Belege aufzubewahren, da er jederzeit damit rechnen muss, vom Gericht zur Vorlage der Belege aufgefordert zu werden. Diese Verfahrensweise soll aber sowohl das Gericht als auch den Betreuer entlasten, da nicht zwingend bei jeder Rechnungslegung zu jedem Rechnungsposten ein Beleg mit zu übersenden ist.“