– Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 28.11.2018 – XII ZB 517/17 –
Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung fortgeführt, dass der vergütungsrechtlich relevante Heimbegriff (§ 5 Abs. 3 VBVG) und der damit verbundene geringere Stundenansatz des Betreuers nach § 5 Abs. 1 Satz 1 VBVG nicht gegeben ist, wenn die betroffene betreute Person in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt und ambulante Pflegeleistungen bezieht. Der Grad der Pflegebedürftigkeit ist für die Einstufung der Einrichtung als Heim nicht ausschlaggebend.
Gegenstand des streitigen Verfahrens war die Festsetzung der Vergütung eines Berufsbetreuers für eine schwerstpflegebedürftige Person, welche in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt und ambulante Pflegeleistungen bezieht. Das Amtsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Festsetzung der Vergütung des Betreuers mit dem Stundenansatz für im Heim lebende Personen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 VBVG zu erfolgen hat.
Die Voraussetzungen des vergütungsrechtlichen Heimbegriffs (§ 5 Abs. 3 VBVG) sind nach Auffassung der Richter des Bundesgerichtshofes jedoch nur dann gegeben, wenn der Wohnraum, die Verpflegung und die tatsächliche Betreuung aus einer Hand zur Verfügung gestellt oder bereitgestellt werden. Eine durch einen pflegebedürftigen Betreuten angemietete Wohnung wird nicht dadurch zum Heim, dass der Vermieter dem Betreuten anbietet, bei Erforderlichkeit von Verpflegung und Notwendigkeit tatsächlicher Betreuung durch einen Drittanbieter zu vermitteln. Solange die betreute Person als Mieter nicht vertraglich gebunden wird, das Angebot des Vermieters im Bedarfsfall anzunehmen, ist der vergütungsrechtlich relevante Heimbegriff nicht erfüllt. Nach Auffassung der Richter führt eine personelle Verbundenheit des Vermieters und Pflegedienstes nicht zu einer anderen Wertung, solange die betreute Person die Möglichkeit hat, einen anderen Pflegedienstanbieter auszuwählen.
Der Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 VBVG sei, durch einen geringeren Stundenansatz der Entlastung eines Betreuers Rechnung zu tragen, wenn die betreute Person sich in einem Heim aufhält. Diese Entlastung liegt nicht ohne Weiteres vor, weil die betreute Person in einer Pflegewohngemeinschaft lebt. Die Kontroll- und Organisationsaufgaben des Berufsbetreuers werden durch die Erbringung der tatsächlichen Pflege- und Betreuungsleistungen durch organisatorisch verbundene Anbieter nicht verringert.
Die Richter widersprachen damit der teilweise praktizierten Rechtsauffassung, dass die Anwendung der landesrechtlichen Qualifikationsvorschriften zur Heimpflege auf ambulante Wohnformen vergütungsrechtlich eine Klassifizierung der ambulanten Wohnform als Heim zur Folge haben. Diese Vorschriften beinhalten zwar im Vergleich zur ambulanten Versorgung deutlich höhere Qualifikationsanforderungen. Solange der Betreuer jedoch durch die gewählte Wohn- und Betreuungsform nicht in einer der stationären Heimunterbringung vergleichbaren Weise entlastet wird ist der Ansatz des geringeren Zeitaufwandes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 VBVG nicht gerechtfertigt.
An dieser Rechtslage wird sich voraussichtlich auch nach Inkrafttreten eines Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung nichts ändern. Zwar werden in dem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung ambulante Wohnformen definiert, die zukünftig vergütungsrechtlich wie stationäre Einrichtungen – derzeit noch Heim – zu behandeln sind. Voraussetzung für die Gleichstellung mit stationären Einrichtungen wird aber unter anderem sein, dass die extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar sind. In der Begründung des Entwurfes der Bundesregierung heißt es zur Voraussetzung für die Gleichstellung einer ambulanten Wohnform mit einer stationären Einrichtung:
„Dies setzt voraus, dass von den Bewohnern keine Auswahlentscheidung darüber zu treffen sind, von welchem Anbieter die externen Pflege- und Betreuungsleistungen in Anspruch genommen werden, und zudem gewährleistet ist, dass der Leistungsanbieter Änderungen im Versorgungsbedarf der Bewohner erkennt und abdeckt.“
Wie sich darüber hinaus die ab 2020 geltenden Änderungen im Rahmen der Neuorganisation der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz in das dann voraussichtlich geltende neue Vergütungssystem einordnen lassen, lässt sich derzeit noch nicht vollständig überblicken. Auf jeden Fall ist auf Grund der unterschiedlichen Ausgestaltung von Wohnformen in den Bundesländern damit zu rechnen, dass rechtliche Betreuer für die Einstufung der Wohnformen den Rechtsweg bestreiten werden müssen.