Winterstein: Mehr als 25 % zu viel Betreuungen gezählt

Förter-Vondey: Etwa gleichviel berufsmäßige und ehrenamtliche Betreuungen?

Die Hinweise darauf, dass die offizielle Zahl von 1,291 Millionen Betreuungsfällen in Wirklichkeit deutlich niedriger sein könnte, verdichten sich. Der Vorsitzende des Betreuungsgerichtstages e.V., Peter Winterstein, hauptberuflich Vizepräsident des Oberlandesgerichts Rostock, hält die Zahl der von den Betreuungsgerichten gemeldeten Betreuungsfälle für deutlich überhöht: um  25 bis 50 %, wie er in einem Fachgespräch der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Betreuungswesen sagte. Eine „Inventur“ beim Amtsgericht Schwerin anlässlich der Durchführung des BEOPS-Modellprojektes habe ergeben, dass der Bestand der Betreuungsverhältnisse zum Stichtag um 25 % niedriger gewesen sei als die Zahl der gemeldeten Betreuerbestellungsverfahren. Ihm sei ein anderes großstädtisches Amtsgericht bekannt, bei dem die tatsächliche Zahl der Betreuungen um 50 % unter den gemeldeten Betreuungsverhältnissen gelegen habe, so Peter Winterstein.

Anlässlich der ISG-Zusatzerhebung zum Gesamtbestand an Betreuungen, die aber nur Zahlen von 7,4 % aller Gerichte erfasste hatte der Vorsitzende des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer e.V. (BVfB), Helge Wittrodt, Vermutungen von Betreuungsrichtern und Rechtspflegern wiedergegeben, wonach die Zahl der gemeldeten Betreuungsverfahren um 30 % über dem wirklichen Bestand der Betreuungsfälle liegen dürfte.

In einer Reaktion auf die Stellungnahme von Peter Winterstein betonte Klaus Förter-Vondey, Vorsitzender des Bundesverbandes der Berufsbetreuer e.V. (BdB), dass die Zahl der berufsmäßigen und vergüteten Betreuungsfälle intensiv ausgewertet werde und daher als realistisch angesehen werden müsse. Wenn der Statistikfehler sich nur auf die ehrenamtlichen Betreuungen auswirke, habe dies eine erhebliche Bedeutung für die betreuungspolitische Diskussion, die von den Bundes- und Landespolitikern immer nur mit dem Hinweis auf steigende Betreuungszahlen geführt werde.

Wenn der Gesamtbestand der Betreuungen im Jahr 2009 (neuere Zahlen sind noch nicht bekannt) nicht 1.291.000 betrug, sondern mindestens  25 % niedriger war, also bei nur  968.000 lag, demgegenüber die Zahl der berufsmäßig betreuten Menschen wie gemeldet etwa  453.000 betrug: dann läge die Zahl der ehrenamtlich betreuten Menschen bei 513.000 und würde nicht 64,9 %, sondern nur 53 % aller Betreuungen betragen.