Betreuungsbedürftige Menschen ohne Vertrauensperson dürfen nicht zur Errichtung einer Vorsorgevollmacht genötigt werden

Bundesgerichtshof definiert, wann auf Vorsorgevollmacht verwiesen werden darf

Der Bundesgerichtshof setzt seine Bemühungen fort, Exzesse bei der Umsetzung des Betreuungsbehörden-Stärkungsgesetz zu verhindern und den Betreuungsvermeidern in Gerichten und Behörden klare Vorgaben zu machen. Zunächst hatte der 12. BGH-Senat festgestellt, dass bei rechtlichem Vertretungsbedarf andere Hilfen nicht ausreichen und wann ein Vertretungsbedürfnis besteht. Nunmehr erteilte der BGH in einem Beschluss vom 23. September 2015 (XII ZB 225/15) der reflexhaften Haltung einiger Betreuungsbehörden „Warum Betreuerbestellung – es kann doch eine Vorsorgevollmacht erteilt werden!“ eine Absage und legt Voraussetzungen fest, unter denen eine noch zu errichtende Vollmacht eine betreuungsvermeidende andere Hilfe darstellt:

„Die Möglichkeit einer Bevollmächtigung steht der Erforderlichkeit der Betreuung gem. § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB nur dann entgegen, wenn es tatsächlich mindestens eine Person gibt, welcher der Betroffene das für eine Vollmachterteilung erforderliche Vertrauen entgegen bringt. Diese Person muss zur Übernahme der anfallenden Aufgaben als Bevollmächtigter bereit und in der Lage sein.“

Der Betroffene war wegen einer psychischen Erkrankung mit Suizidgefahr betreuungsbedürftig und hatte die Betreuung selbst beantragt. Weil er weiterhin geschäftsfähig sei, könne er sich die erforderlichen Hilfen durch Erteilung einer (Vorsorge-)Vollmacht selbst beschaffen, so das Betreuungsgericht. Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau wollte den Betroffenen in seiner Entscheidung vom 23.04.2015 (3 T 60/15) dann sogar nötigen, um jeden Preis eine Vorsorgevollmacht zu erteilen: dass ein Bevollmächtigter nicht zur Verfügung stehe, sei nicht hinreichend dargetan. Der Vortrag, die Familienangehörigen hätten im Hinblick auf die damit verbundene Verantwortung Bedenken geäußert, sei jedenfalls nicht ausreichend.

Hier zog der BGH eine klare Grenze. Zwar benötige derjenige keine Betreuung, wer als geschäftsfähige Person noch in der Lage sei, eine Person seines Vertrauens mit der Wahrnehmung der Angelegenheiten zu beauftragen – und wenn ein besonderes Bedürfnis für die mit der Betreuung verbundene gerichtliche Kontrolle nicht ersichtlich sei. Es müsse aber auch tatsächlich mindestens eine Person geben, welcher der Betroffene das für eine Vollmachterteilung erforderliche Vertrauen entgegenbringe und die zur Übernahme der anfallenden Aufgaben als Bevollmächtigter bereit und in der Lage sei, so der BGH.